Bericht über die Interreg SIV Policy & Practice Konferenz „Social Impact Vouchers as a Tool for Social Innovation on the Labour Market” am 03. Mai 2022

Welche Rolle können private Geldgeber in der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit spielen? Diese Frage stand im Zentrum der Policy und Practice Konferenz an der WU am 03. Mai 2022 zum Abschluss des Interreg Projekts „Social Impact Vouchers“ (SIV). Im Rahmen des Projekts haben elf Partner aus acht zentraleuropäischen Ländern in den letzten drei Jahren Gutscheinmodelle für verschiedene von Arbeitslosigkeit betroffene vulnerable Gruppen entwickelt und versucht, private Geldgeber zu finden, die sich an der Finanzierung beteiligen. Die Konferenz diente dazu, Ergebnisse und Erfahrungen zu präsentieren und gemeinsam mit verschiedenen Expertinnen und Experten darüber zu reflektieren. 

Marta Kahancová, Geschäftsführerin des Central Europe Labour Studies Institutes (CELSI) zeigte in ihrem Vortrag gesellschaftliche Entwicklungen auf, die große Herausforderungen für den europäischen Arbeitsmarkt darstellen, wie etwa die Überalterung, strukturelle Verschiebungen auf dem Arbeitsmarkt durch die Digitalisierung und die Ökologisierung der Wirtschaft, Migration und Integration insbesondere im Zuge der Flüchtlingsbewegungen sowie das Armutsrisiko, das durch Inflation und die steigenden Energiepreise aktuell stark verschärft wird. Vulnerabilität tritt entlang verschiedener soziodemografischer Merkmale (Frauen, ältere Menschen, Jugendliche etc.) auf, wird jedoch auch durch die Art der Anbindung an den Arbeitsmarkt (z.B. Selbständigkeit, Personen mit mehreren Arbeitsverträgen) beeinflusst. Für die Bewältigung der Folgen dieser Entwicklungen braucht es innovative Ansätze, das Zusammenspiel aller beteiligten Stakeholder sowie klare politische Rahmenbedingungen.

Michael Fembek, Leiter des von der Essl Foundation gegründeten Zero Projects, schilderte in seinem Vortrag Erfahrungen mit der Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung und hinterfragte – durchaus kritisch – die Rolle, die private, gemeinnützige Stiftungen dabei spielen können. Das Zero Project trägt wesentlich dazu bei, das Ökosystem rund um das Thema Beschäftigung von Menschen mit Behinderung international zu stärken, wie er an einer Vielzahl an innovativen Beispielen eindrucksvoll darstellte. Betrachtet man allerdings die Höhe der dahinterstehenden finanziellen Mittel, dann zeigt sich, dass diese im Verhältnis zur öffentlichen Finanzierung sehr gering sind. Entscheidend sei allerdings die Kooperation, weil es nicht darum ginge, öffentliche Maßnahmen zu substituieren, sondern innovative Ansätze zu finden. Stiftungen könnten dort einen wesentlichen Beitrag leisten, wo es darum ginge, Neues auszuprobieren, auch auf die Gefahr hin dabei zu scheitern. Als Beispiel nannte er den in Österreich 2015 erstmals durchgeführten Social Impact Bond zugunsten des Gewaltschutzzentrums Oberösterreich, Frauenhaus Linz. 

In der anschließenden Podiumsdiskussion lud Christian Grünhaus, wissenschaftlicher Leiter des NPO-Kompetenzzentrums der WU Wien, die beiden Vortragenden sowie Iva Tsolova, Co-Gründerin des Sozialunternehmens JAMBA und Julian Hiebl, im AMS für internationale Angelegenheiten zuständig, zu einer Vertiefung des Themas ein. Iva Tsolova schilderte, wie COVID-19 dazu beitrug ihr IT-Schulungsprogramm für Menschen mit Behinderung bzw. chronische Krankheiten auf ein Online-Format umzustellen, wodurch das Programm wesentlich skaliert werden konnte und nun viel mehr Betroffenen zur Verfügung steht. Julian Hiebl berichtete über das europäische Netzwerk öffentlicher Arbeitsverwaltungen (PES -European Network of Public Employment Services), welches sich zu einem intensiven Austausch verpflichtet hat, mit dem klaren Ziel, die Qualität der Arbeitsverwaltungen in den einzelnen Ländern zu verbessern. In der Diskussion wurde noch einmal auf die Bedeutung der Kooperation zwischen öffentlichen und privaten Stakeholdern zur Bewältigung der Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt betont. 

Am Nachmittag präsentierten die Partner das SIV Projekt in drei Breakout Sessions. Eine davon beschäftigte sich mit den Gutscheinmodellen in den beteiligten Ländern. Die Leistungen der Gutscheine umfassen Schulungsmaßnahmen, Vermittlungshilfe oder finanzieren die Arbeitskosten für eine bestimmte Periode. In einer zweiten Breakout Session wurden die Fundmodelle vorgestellt. Neben öffentlichen Mitteln adressierten die Partner vor allem philanthropische Geldgeber. Die Modelle sehen keine monetären Renditen für die Geldgeber vor, jedoch sollen Teile der verwendeten Mittel durch Erfolgsprämien in die Fonds zurückfließen. Die dritte Breakout Session befasste sich mit der Wirkungsmessung. Im Zuge des Projekts hat das NPO-Kompetenzzentrum eine Social Return on Investment (SROI) Analyse für einen Projektpartner (Diakonie Württemberg) durchgeführt, wo die Kirche schon seit mehreren Jahren Gutscheine für Langzeitarbeitslose finanziert. Die Herangehensweise der Wirkungsanalyse sowie Ergebnisse wurden präsentiert. Außerdem wurde diskutiert, inwiefern die Ergebnisse der SROI-Analyse verwendet wurden und wo diese hilfreich waren.

Abschließend präsentierten die Projektpartner wichtige Learnings und Handlungsempfehlungen. In den beteiligten Ländern wird die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit sehr stark als Aufgabe des Staates wahrgenommen. Bislang gibt es kaum Geschäftsmodelle, die das Thema für Impact Investoren interessant machen. Erste Schritte diesbezüglich sind Social Impact Bonds. Die Gewinnung philanthropischer Geldgeber erfordert hingegen viel Beziehungsarbeit, die während der COVID-19 Phase aufgrund der vielen Restriktionen sehr schwierig war. Rechtliche Hürden zeigten sich auch bei der Gründung eines transnationalen Fonds, unter anderem weil die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für grenzübergreifende Spenden noch nicht gut geregelt sind. Angesichts der Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und damit einhergehender gesellschaftlicher Herausforderungen ist es notwendig, dass private und öffentliche Stakeholder kooperieren und innovative Lösungen erarbeiten, um auch künftig Armut und Exklusion zu bekämpfen.

Nähere Informationen über die Konferenz: https://short.wu.ac.at/interreg-siv-conference-03may22

Kontakt:

Flavia-Elvira Bogorin, MSc
Researcherin

Kompetenzzentrum für Nonprofit Organisationen und Social Entrepreneurship 
Competence Center for Nonprofit Organisations and Social Entrepreneurship  

WU       
Wirtschaftsuniversität Wien
Vienna University of Economics and Business 

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