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Interview mit Prof. Dr. Henning Zeidler

Professor Dr.-Ing. Henning Zeidler ist Inhaber der Professur für Additive Fertigung an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg und Gründer der AMTOPUS GmbH & Co. KG in Chemnitz.

Auf diese Weise kombiniert Herr Prof. Zeidler Lehre, Forschung und industrielle Umsetzung von Lösungen im 3D-Druck in der unternehmerischen Praxis.

Prof. Dr. Henning Zeidler

Welche Ziele verfolgen Sie im Bereich der generativen Verfahren?

Als Inhaber der Professur für Additive Fertigung an der TU Bergakademie Freiberg besteht mein vorrangiges Ziel darin, die Technologie so weiterzuentwickeln, dass innewohnende Möglichkeiten und Potenziale voll ausgeschöpft werden können. Dazu ist es notwendig, Ingenieure zu qualifizieren, die über das Know-how verfügen, diese Technologien zu nutzen. Vor diesem Hintergrund haben wir u.a. ein umfassendes Additive Manufacturing Labor aufgebaut, um auch die praktische Ausbildung im Fokus zu halten.

In der Technologieentwicklung betrachten wir die gesamte Prozesskette. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, wie das jeweilige additive Verfahren sinnvoll eingesetzt werden kann. In der Prozesskette sind die intelligente Konstruktion und die spezifische Materialbeschaffenheit des Ausgangsmaterials für den 3D-Druck von besonderer Bedeutung. Außerdem müssen Lösungen gefunden werden, um die Kosten für die Endbearbeitung der gedruckten Teile zu optimieren. Gegenwärtig entfällt ca. 1/3 der Herstellungskosten auf die Nach- bzw. Endbearbeitung des Werkstücks.

Im Rahmen der AMTOPUS setzen wir auf Technologien zum 3D-Druck auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Dabei verwenden wir vorrangig Ausgangsmaterialien, die bei anderen industriellen Prozessen als Reststoffe anfallen, wie kurzfaseriges Holzmehl, feine Partikel von Miscanthusgras, aber auch Muschelkalk. Wir entwickeln die Technologie einschließlich der Anlagentechnik und stellen die entsprechenden Produkte her. Unser Marktpotenzial sehen wir u.a. in maßgenauen kompostierbaren Spezialverpackungen mit komplizierter Geometrie für hochwertige Produkte, aber auch in der Herstellung von temporären Möbeln. Wettbewerbsvorteile der aus nachwachsenden Rohstoffen gedruckten Verpackungen liegen in der Gewichts- und Volumenreduktion, was insbesondere bei Luftfracht von hoher Bedeutung ist. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die erforderliche gleichzeitige Entwicklung entsprechender aufnahmefähiger Märkte dar.

Welche Erwartungen haben Sie dabei an das AMiCE-Netzwerk?

Aus meiner Mitwirkung in AMiCE erhoffe ich Kontakte zu Technologieprovidern, Anwendern, Kunden, Gestaltern und Multiplikatoren sowie deren Verknüpfung untereinander.

Für die AMTOPUS GmbH & Co. KG wäre eine Unterstützung bei Generierung von Projekten und in der Fördermittelakquise interessant. Außerdem glaube ich, dass wir auf diesem Wege den Bekanntheitsgrad steigern und potenzielle Kunden gewinnen können.

Welche Perspektiven für die Anwendung der generativen Technologien sehen Sie und welche Nutzer haben Sie dabei im Blick?

Grundsätzlich sind additive Verfahren für alle industriellen Bereiche interessant. Besonders hohes Potenzial sehen wir als Technische Universität in den Branchen Werkzeugbau, Automotive sowie in der Luft- und Raumfahrt. Auf der Lieferantenseite gilt unser besonderes Interesse den möglichen Ausgangsmaterialien für den 3D-Druck einschließlich der Verwendung von Reststoffen.

Wir sehen in den additiven Verfahren ein hohes wirtschaftliches Potenzial. Um dieses zu erschließen, muss es jedoch gelingen, Technik und Technologie entsprechend zu entwickeln und potenzielle Anwender und Konstrukteure für die Thematik zu sensibilisieren.

Für die AMTOPUS sehen wir wesentliche Märkte im Sondermaschinenbau, im Museums- und Ausstellungsbereich, bspw. für den Versand hochwertiger Exponate oder zur Ausstattung von Großevents.

Welche speziellen Fähigkeiten haben Sie im 3D-Druck bzw. wollen Sie für vorrangig entwickeln?

Im Mittelpunkt unserer Tätigkeit steht die Nutzung von neuen Materialien im tintenstrahlbasierten 3D-Druck. An der TU Bergakademie Freiberg stehen uns zusätzlich sämtliche gängigen Technologien zur Verfügung, wie Photopolymerdruck, SLS, SLM, Binder Jetting, WAAM und 3D-Pastendruck für keramische Materialien. Entlang der Prozesskette verfügen wir außerdem über Möglichkeiten zum 3D-Scan. Metallische Teile können wir in der Nachbearbeitung plasmaelektrolytisch polieren.

Welche Ansätze und Kooperationsfelder sind für Sie besonders interessant?

Für uns ist besonders das Wechselspiel von Design, Material und Technologie interessant. In Verbindung mit einer Zusammenarbeit mit Materiallieferanten können aus unserer Sicht weitreichende Effekte erzielt werden.

Für die AMTOPUS sind Kooperationen mit potenziellen Anwendern und Produktentwicklern interessant. Dabei sollten gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sowie Anwendungsprojekte oder Machbarkeitsstudien entstehen.

Welche Unterstützungsleistungen wünschen Sie sich?

Aus Sicht der Bergakademie Freiberg erachte ich es als wünschenswert, wenn AMiCE eine Vernetzung von Akteuren auf dem Themengebiet unterstützt und vorantreibt. Es wäre hilfreich, wenn hier dazu beigetragen werden kann, einen Überblick bezüglich existierender Forschergruppen und -themen zu gewinnen.

Für AMTOPUS ist neben der Vernetzung mit möglichen Anwendern und Kunden auch das Gewinnen eines Überblicks über in Zentraleuropa existierenden und praktizierten Verfahren der generativen Fertigung von Interesse. Eine Unterstützung beim Finden geeigneter Fördermittel zur Umsetzung von Maßnahmen zur Technologie- und Produktenwicklung bis hin zur Markteinführung der Produkte erscheint wünschenswert.