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Interview mit Prof. Dr. Bernd Delakowitz

Professor sowie Direktor am Institut für Ökologie- und Umweltschutz der Hochschule Zittau/ Görlitz


Prof. Dr. Bernd Delakowitz  Professor sowie Direktor am Institut für Ökologie- und Umweltschutz der Hochschule Zittau/ Görlitz

Welche Aufgaben und Ziele verfolgen Sie als Mitarbeiter im Studiengang Ökologie und Umweltschutz und damit einhergehend dem Materialkreislauf? 

Den Studiengang Ökologie und Umweltschutz gibt es seit 1994 und ruht auf mehreren Säulen. Sowohl die klassische Ökologie als auch der technischer Umweltschutz werden als gemeinsame Schwerpunkte, inklusive der betrieblichen Managementebenen, betrachtet. Ein unikater Ansatz, d.h. wenn wir die natürliche Umwelt entlasten wollen, müssen wir Ressourcen schonen und effizienter einsetzen. Im Idealfall wird das Produkt mit weniger Rohstoffen bei gleicher Qualität erbracht und somit u.a. Emissionen, Abfall sowie Kosten reduziert. Dies führt zu einer klassischen Win-Win Situation.

Ziel ist es, Ressourcen möglichst lange im Kreislauf zu halten, dadurch also Abfall zu vermeiden und nicht vermeidbare Abfälle einer stofflichen oder thermischen Verwertung zuzuführen. Dafür bietet die Kreislaufwirtschaft vielfache Ansätze.

Welche Perspektiven und spezielle Anwendungsfelder sehen Sie für die Kreislaufwirtschaft in Zukunft? Damit einhergehend, was sind die Hauptgründe zur Einführung von Umweltmanagement und somit dem Materialkreislaufgedanken – Cradle to Cradle? 

Das Umweltmanagement (UM) ist - neben der häufigen Forderung seitens Kunden und Auftraggebern - ein gutes Instrument des betrieblichen Monitorings, um Schwachstellen in Materialkreisläufen zu identifizieren und nach Optimierungsmöglichkeiten zu suchen.

Viele Unternehmen versuchen bereits, teilweise seit vielen Jahren, sich intelligent mit anderen Partnern zu vernetzen, um Beiprodukte, Verschnitte, Materialverluste usw. in anderen Produktions- oder Dienstleistungs-Prozessen wieder einzusetzen. Ein gutes Bespiel ist die Nutzung von REA-Gips, der bei der Rauchgasentschwefelung in Kohlekraftwerken oder thermischen Abfallbehandlungsanlagen anfällt und in der Gipsindustrie zur Herstellung von Bauelementen für den Innenausbau verwendet wird. Der dort thermisch behandelte Abfall dient der Energiegewinnung.

Der Cradle to Cradle-Ansatz ist exakt das Gegenteil der linearen Produktion und das Ideal einer Kreislaufwirtschaft. Ansatzweise sind derartige Materialoptimierungen beispielsweise in der Kunststoffindustrie verwirklicht. Kunststoff lässt sich gut stofflich recyceln und wieder in den Materialkreislauf zurückführen. Innovative Ansätze wie der 3D-Druck oder die additive Fertigung tragen zusätzlich dazu bei, den Materialeinsatz von Bauteilen zu optimieren.

Weitere Ansätze der Kreislaufwirtschaft sind natürlich Mehrfachnutzungen (Sharing) von Produkten bzw. Dienstleistungen. Und daraus lässt sich auch der Gedanke des „Product as a service“ ableiten. Das bedeutet, dass nicht ein Produkt beschafft wird, um damit eine bestimmte Funktion zu erfüllen, sondern die diesbezügliche Dienstleistung. Letztlich bedeutet das, dass Unternehmen versuchen, ihre produktbasierten Geschäftsmodelle durch wertbasierte Services zu optimieren und sich damit auf die Chancen und Herausforderungen einer zunehmend digitalen Geschäftswelt einzustellen. 

AMiCE kann hierbei wertbringende Erfahrungswerte regionaler Unternehmen sammeln und Informationen mit Kooperationspartner erfassen.  

Für welche Zielgruppe wird aus Ihrer Sicht die Kreislaufwirtschaft in Zukunft an Bedeutung gewinnen und warum?

Die Beispiele haben gezeigt, dass die Kunststoffindustrie, darüber hinaus aber auch nahezu alle Branchen von einer intelligenten Kreislaufwirtschaft profitieren. Die Kunststoffbranche ist in diesem Bereich schon relativ weit - gerade was die stoffliche Wiederverwendung und Waste to Energy Ansätze anbelangt. Die Automobilindustrie forscht und optimiert ebenfalls kontinuierlich in diesem Arbeitsfeld und versucht Komponenten mit leichteren Materialien zu ersetzen, wobei hier die energieintensivere Herstellung zu beachten ist. In der Holzindustrie könnte man an Kaskadenproduktion denken, in der Holzelemente nach einer Nutzung zunächst einer erneuten stofflichen Nutzung zugeführt und anschließend ggfs. thermisch verwertet werden. Allerdings sind hier die rechtlichen Rahmenbedingungen bei Industriealtholz gegenwärtig nicht optimal. Der Telekommunikationsbereich bietet ebenso ein großes Potenzial: Nach wie vor werden große Menge an wertvollen Komponenten wie etwa verbautes Lithium nicht oder nur unzureichend wiedergewonnen, welche neben der Ressourcenrelevanz ebenfalls eine politische Bedeutung haben.

Wo sehen Sie Möglichkeiten zur besseren Unterstützung des Forschungsfeldes?

Eine noch intensivere Verzahnung von Industrie und Wissenschaft ist wichtig und könnte über das Projekt AMiCE abgedeckt werden. Veranstaltungsformate der Hochschule Zittau/Görlitz, wie das Unternehmerfrühstück oder „Wirtschaft trifft Wissenschaft“ weisen gute Ansätze auf. Die Forscher müssen die Probleme, technische Möglichkeiten, Bedürfnisse, Wünsche aber auch Grenzen des Machbaren sowie Wissensdefizite seitens der Industrie kennen und verstehen, um im Rahmen von F&E praktikable Lösungsansätze zu erarbeiten. 

Welche Ansätze und Kooperationsfelder sind für Sie besonders interessant? 

Kleine und mittlere Unternehmen sind für den wirtschaftlichen Erfolg in Deutschland bedeutsam. Häufig fehlt jedoch ein ausreichender Zugang zu innovativen Entwicklungen, wie sie etwa durch die Kreislaufwirtschaft gegeben sind. Öffentliche Fördermöglichkeiten wie „Ökoprofit“ versuchen diese Defizite abzubauen und gleichzeitig die Verzahnung mit wissenschaftlichen Einrichtungen zu verbessern und sollten themenfokussiert ausgeweitet werden.

Das Gespräch führte Marlen Krause


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